Servicestelle für nachhaltige Lebensmittel- und Ernährungssysteme, AGES GmbH
die sustainability challenge
Partizipation neu gedacht - für ein nachhaltiges Food Environment in Österreich
Service learning partner*in
Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) und Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) gründeten mit erstem Jänner 2023 die Servicestelle für nachhaltige Lebensmittel- und Ernährungssysteme (kurz: Servicestelle) in der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES).
Die Servicestelle unterstützt die Ministerien in der Vorbereitung und in weiterer Folge in der Umsetzung des geplanten EU-Framework for Sustainable Food Systems und schafft damit Strukturen für eine sektorenübergreifende Entscheidungsfindung und Steuerung zur nachhaltigen Entwicklung in Österreich. Eine erfolgreiche Transformation hin zu einem nachhaltigeren System erfordert auch eine enge Einbindung relevanter Stakeholder – von der Wirtschaft und Landwirtschaft, über diverse Wissenschaften, bis hin zur Zivilgesellschaft.
Unser Food System steht vor großen Herausforderungen, welche nur gemeinsam bewältigt werden können. Eine dieser Herausforderungen ist es, nachhaltige und gesunde Ernährung zur einfachen und leistbaren Wahl zu machen. Dazu muss das sogenannte „Food Environment“ verändert werden – Zur Gestaltung einer solchen Umgebung braucht es effiziente Partizipationsformate.
In Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt es schon erprobte und erfolgreiche Partizipationsformate – wie den Ernährungsrat – jedoch werden nach wie vor nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen erreicht. Nachhaltige Partizipation kann nur dann funktionieren, wenn diese sich mit dem tatsächlichen Partizipationsbedarf unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen deckt. Wir müssen uns die Frage stellen, in welcher Form in Österreich lebende Personen überhaupt beteiligt werden wollen. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass ihre Empfehlungen nachhaltig in die politische Entscheidungsfindung miteinfließen und ein fortwährender Austausch zu aktuellen Möglichkeiten oder Hürden bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen besteht. Daher ergibt sich die Frage:
Wie könnten erfolgreiche Partizipationsprozesse für bisher wenig repräsentierte Bevölkerungsgruppen als integraler Teil der Gestaltung von einem nachhaltigen „Food Environment“ konzipiert sein?
Folgende Schritte können dabei helfen, diese Frage zu bearbeiten:
- Kennenlernen des Konzepts „Food Environment“ und einführende Recherche zur Erstellung einer Übersicht bestehender Partizipationsformate (AT, int.) inkl. „Lessons Learned“ und Identifizierung derzeit wenig repräsentierter Bevölkerungsgruppen;
- Auswahl einer derzeit noch wenig repräsentierten Gruppe und Durchführung von Interviews (oder andere Möglichkeit der Meinungseinholung) zu potenziellen Hürden bzw. Gründe für geringe Partizipation sowie Entdeckung von Verbesserungspotenzialen;
- Konzeption und mögliche Pilottestung eines kreativen Partizipationsformats für diese ausgewählte Gruppe zur Mitgestaltung des „Food Environments“.
Das Projekt „Partizipation neu gedacht“ zielt darauf ab, eine Antwort auf die drängende Herausforderung zu finden, wie wir ein nachhaltiges und gesundes „Food Environment“ für alle zugänglich machen können. Angesichts der komplexen Probleme, die unser derzeitiges Lebensmittelsystem mit sich bringt, ist es klar, dass wir nur gemeinsam vorankommen können. Unser Ziel ist es, eine bisher wenig repräsentierte Bevölkerungsgruppe aktiv in den Dialog und die Gestaltung einer solchen Umwelt einzubeziehen.
Unsere Recherchen haben aufgezeigt, dass vor allem Menschen mit einem hohen Bildungslevel, die über die notwendige Zeit und Ressourcen verfügen, sich bei politischen Partizipationsformaten engagieren, was die Notwendigkeit unterstreicht, zugänglichere und leicht verständliche Partizipationsmöglichkeiten zu entwickeln. Aus dieser Notwendigkeit heraus ergibt sich der Bezug auf das Sustainable Development Goal (SDG) „10 Reduced Inequalities“, welches die Zielsetzung des Projekts vorgibt. Auf Basis einer Literaturrecherche, in Absprache mit der Lokalen Agenda 21 (LA21) sowie den zuständigen Projektmentorinnen, haben wir Kinder und Jugendliche als besonders unterrepräsentierte Gruppe identifiziert. Daher rücken wir in Wien wohnende Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren ins Zentrum unseres Projekts, um sicherzustellen, dass ihre Stimmen gehört und in die politische Entscheidungsfindung integriert werden können. Uns interessiert, wie sich das Food Environment von Jugendlichen gestaltet und welche Faktoren sie bei ihren Konsumentscheidungen bezüglich der Ernährung beeinflussen.
In einem nächsten Schritt führen wir eine Sozialraumanalyse durch, um in Frage kommende Schulstandorte für unser Projekt auszuwählen. In weiterer Folge möchten wir Kinder und Jugendliche erreichen und engagieren. Die Idee ist, über Kurzinterviews einen Erstkontakt herzustellen und diese über soziale Medien zu teilen, um Interesse an der aktiven Mitgestaltung des „Food Environments“ zu wecken.
Im Rahmen unseres Projekts haben wir innerhalb eines ersten Schritts eine Zielgruppe identifiziert, die bei Partizipationsprozessen unterrepräsentiert ist. Auf Basis von Literaturrecherche und in Rücksprache mit relevanten NGOs und Vereinen wählten wir Schüler:innen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren aus. Durch eine Sozialraumanalyse identifizierten wir ein Gebiet, welches durch eine Mischung von Schüler:innen mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen gekennzeichnet ist. Als Untersuchungsgebiet unserer Forschung dient der Schuhmeierplatz an der Thaliastraße in Neulerchenfeld im 16. Bezirk Ottakring. Durch eine erfolgreiche inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus der Zivilbevölkerung, der Praxis und der Wissenschaft haben wir ein cooles, neues, innovatives und zielgruppengerechtes Partizipationsformat in Form von leitfadengestützten ad-hoc Kurzinterviews mit Social Media-Bezug und Gamification (Kommunikation mit emoji-Schildern) entwickelt. Aufbauend auf unseren Erkenntnissen der Forschung werden wir einen Policy Brief für die Entscheidungsträger:innen der zuständigen Ministerien verfassen.
Wir haben festgestellt, dass man durch Social Media-Formate Aufmerksamkeit bei Jugendlichen generieren und diese motivieren kann, ihre Meinung bei transdisziplinären Forschungsprojekten einzubringen. Die Schüler:innen zeigten sich sehr interessiert an der Thematik von nachhaltiger Ernährung. Die Videos fanden auf TikTok die größte Beliebtheit, während von anderen Social Media-Plattformen abzuraten ist. Ad-hoc Kurzinterviews werden in der wissenschaftlichen Praxis als komplex angesehen, können aber mit Schüler:innen gut funktionieren, da sie in Schulpausen die Bereitschaft mitbringen an Kurzinterviews teilzunehmen. Zwar hat die Pilotphase gut funktioniert, allerdings bedarf es für eine größere Resonanz ein Upscaling des Projekts.
Im Rahmen unseres Projekts haben wir viele wertvolle Erkenntnisse und praktische Fähigkeiten gewonnen. Wir lernten, Videos für soziale Medien zuzuschneiden und den Umgang mit technischem Equipment wie Mikrofonen. Die Erstellung des Interviewleitfadens beruhte auf wissenschaftlichen Kriterien und entwickelte sich in der Umsetzungsphase in einen Prozess des „Learning by Doing“. Die Arbeit im Feld führte uns vor Augen, wie wichtig es für Ad-hoc Interviews ist, offen und unvoreingenommen auf Jugendliche zuzugehen. Persönlich lernten wir, uns von Ablehnung nicht entmutigen zu lassen, da sich immer neue Interviewpartner:innen finden. Es war schwieriger, Mädchen als Interviewees zu gewinnen, was uns sensibler für Geschlechterdynamiken machte. Gute interne Teamkommunikation erwies sich als essenziell für die Koordination und Durchführung der Interviews.
Inhaltlich beschäftigten wir uns intensiv mit nachhaltigen Ernährungssystemen und Umweltfragen. Wir entdeckten diverse Partizipationsformate durch Literatur- und Internetrecherche sowie durch den Austausch mit Vereinen. Der Umgang mit Medien zeigte uns, dass zielgruppengerechte Inhalte je nach Social-Media-Plattform variieren müssen. Jugendliche sind derzeit z.B. besonders auf TikTok aktiv und sehen sich gerne in den geteilten Videos. Bei der Kommunikation mit Jugendlichen war unser Format mit Gamification in Form von Emoji-Schildern hilfreich um Themen wie soziale Normen und Nachhaltigkeitsaspekte bei der Ernährung (z.B. Nährwerte und Fairtrade) ins Gespräch einzubringen.
starke Partnerschaften
Partnerin
Katharina Fister
AGES
„Mich treibt der Gedanke an eine faire Zukunft für Mensch, Tier und Umwelt stetig an – die SDGs bilden dafür das ideale Rahmenwerk und die Transformation des Food Systems hält ein besonders großes Potenzial inne. Dabei verstehe ich es als riesige Chance, nun komplexen Fragestellungen mit nachhaltigen Lösungsansätzen zu begegnen.“
gute unterstützung
Mentoren*innen
Kerstin Krellenberg
Universität Wien
„Inter- und Transdisziplinarität sind unabdingbar, um die Komplexität der großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu verstehen und Transformationen zur Nachhaltigkeit voranzutreiben. Was das praktisch bedeutet, können die Studierenden bei der Sustainability Challenge in konkreten Projekten lernen, testen und umsetzen. Mut, neu miteinander ins Gespräch zu kommen gehört dazu, der sich auszahlt.“
Yvonne Franz
Universität Wien
„Nachhaltigkeit wird nicht nur an Worten, sondern vielmehr an Taten gemessen. Die Sustainability Challenge liefert einen wichtigen Beitrag, die notwendigen Fähigkeiten von Ideenfindung bis zur Umsetzung nachhaltiger Praktiken gemeinsam zu entwickeln. Ich freue mich, meine Expertise aus der Perspektive der geographischen Stadtforschung einbringen zu können und mich mit den engagierten Studierenden weiterzuentwickeln. Challenge accepted!“